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Das Publikum
 

Telenovelas ...

"Es ist immer das gleiche, aber wir sehen sie alle."

 

... sind Teil des Alltags

Menschen schätzen an der Telenovela ihren Unterhaltungswert. Die Erzählung soll stattfinden, um den Alltag aufzulockern. Das Publikum schaut die Geschichten immer wieder, selbst wenn es verärgert oder gelangweilt wird, weil Telenovelas zu einem untrennbaren Teil des Alltags geworden sind.

... schaffen Bewegung

Die Attraktivität der Serien besteht darin, dass ihre Erzählstruktur Bewegung hervorruft. Da immer etwas passiert und moralische Positionen ständig hinterfragt werden, können die Zuschauerinnen das Gefühl von Lebendigkeit erleben, indem sie daran lebhaften Anteil nehmen.
Die Telenovelas greifen Alltäglichkeit auf und spiegeln sie wieder. Gleichzeitig heben sie diese durch daraus herausragende Ereignisse auf, ohne die alltäglichen Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen.
Das Publikum will von der Telenovela innerhalb der Kontraste von Ruhe und Bewegung weder überfordert noch gelangweilt werden. Der Maßstab dafür ist jedoch individuell unterschiedlich. Zur Überforderung kommt es in den seltensten Fällen, zu Verärgerung über zu wenig Bewegung jedoch häufig.

... passen zur Alltagszeit

Die Telenovela passt sich an den Alltag an, indem sie durch ihre Fragmentierung erlaubt, ja das Publikum geradezu nötigt, während der vielen Werbeunterbrechungen andere Dinge im Haus zu tun und trotzdem unterhalten zu werden. Gerade die Arbeit der Hausfrau und Mutter ist ohnehin fragmentiert (für alle(s) ein Auge haben), wird andererseits dadurch aber noch zerstreuter. Die populäre Erzählung ist übersichtlich, eindeutig und immer im Haus präsent. Gerade in Mexiko, wo Menschen immer weniger Pläne machen können, je weniger Macht sie haben, passt die Telenovela gut in die Gegenwartsorientierung des Publikums. Sie ist immer zuverlässig präsent und unmittelbar zugänglich und erlaubt eine passive, einfache Aufnahme. Darin eingebettet erleben die Zuschauerinnen Überraschungen und Abwechslung und damit Bewegung im sonst bewegungsarmen Alltag.

... bringen Abwechslung und schaffen eigenen Raum

Der Wechsel zwischen Spannung und Konfliktentladung entspricht der weiblichen Prägung, in der Sorge um die Familienmitglieder abrupt von einer Gefühlslage in die andere zu wechseln. Ferner erlaubt die Telenovela der Frau hin und wieder eine Trennung der sonst nicht trennbaren Muße von ihrer Arbeit, indem die Zuschauerin die Sendezeit der Lieblingsnovela als "ihre Zeit" beanspruchen kann.
Das kommerzielle Interesse, Zeit des Publikums so lange wie möglich zu beanspruchen, trifft sich mit den Wünschen der Zuschauerinnen, die möchten, dass ihre Zeit möglichst angenehm - unterhaltsam - besetzt wird: die Erzählung soll stattfinden. Die Telenovela-Erzählung lehnt sich an das langsame Verstreichen der Alltagszeit an und durchbricht sie gleichzeitig mit Elementen, die aus Routine und Monotonie herausragen.

... fesseln und rauben

Eine schlechte Dramaturgie (fehlende Spannung und Inkohärenzen in der Handlung) und schlechte Darstellung, die eine intensive Anteilnahme verhindern, sowie eine aus kommerziellen Gründen übermäßig in die Länge gezogene Erzählung rufen Langeweile und Verärgerung beim Publikum hervor und der Telenovela-Konsum wird als Zeitverschwendung empfunden. In diesen Fällen verrichten die Zuschauerinnen nebenbei andere Tätigkeiten oder suchen ihr Vergnügen darin, sich über die Erzählung zu erheben und sie zu kritisieren oder sich darüber lustig zu machen. Einige erleben schon die als spannend empfundenen Telenovelas als ärgerlich, weil sie es als Zeitraub empfinden, dass sie durch die offenen Enden der Kapitel jeden Tag wieder an die Bildschirme gelockt werden. Damit ist das Ziel dieser Sendeform, eine hohe Bindung an das Produkt durch Spannungsbogen und Cliffhanger zu erlangen, erreicht. Der Abbruch der von der Telenovela hervorgerufenen Bewegung ist für viele schwerer zu ertragen, als die Langeweile, die auftritt, wenn der Handlungsfaden am nächsten Tag wieder aufgenommen und nur mit mäßiger Spannung und Kohärenz bis zum nächsten Cliffhanger weitergeführt wird. Deshalb können sich die Zuschauerinnen über schlechte Telenovelas ärgern und trotzdem danach trachten, keine Folge zu versäumen.

... sind Teil der eigenen Geschichte

Durch die Einbettung der Telenovelas in den Alltag über Jahre hinweg werden diese Teil des eigenen Lebenslaufs. In der Erinnerung können Zuschauerinnen wichtige persönliche Erlebnisse mit dem Sehen bestimmter Telenovelas verbinden. In der Regel wird jedoch ein generelles Erzählmuster stärker erinnert als einzelne Geschichten oder Charaktere. Das zeigt wieder den Alltags-Charakter der Telenovela: ihr immer wiederkehrender Ablauf ist hinreichend bekannt, während einzelne Details daraus erst neu in Erinnerung gerufen werden müssen.

... werden mit der Realität verglichen

Die Wissensbestände der Telenovela enthalten Nahes und Fernes. Das Publikum erhebt einen Anspruch auf authentische Realitätsabbildung und Plausibilität und findet einen Reiz darin, die Fernseh-Erzählung mit der direkt oder indirekt erfahrenen Realität zu vergleichen und an ihr zu messen. Die Zuschauerinnen empfinden einen Genuss daran, kompetente Beurteilerinnen darüber zu sein, ob die Telenovela die Realität "richtig" oder "falsch" abbildet.

... bewegen sich zwischen Sicherheit und Neugier

Überraschungen, unstabile Situationen und Geheimnisse sowie Variationen bei Themen, Figuren und Handlungsplots (in der Haupthandlung und durch die Cliffhanger), die eine Unordnung hervorrufen, schaffen den Drang nach Ordnung und Neugier innerhalb des sicheren Wissens. Innerhalb des überschaubaren, melodramatischen Rahmens bereitet es dem Publikum Vergnügen, die Überraschungen vorherzusagen. Spannung entsteht an der Frage, ob die eigenen Vermutungen und Voraussagen eintreffen, oder ob die Handlung durch ganz andere Variationen zu einer überraschenden Wendung gelangt. Sicherheit erleben die Zuschauerinnen durch die moralisch eindeutig zuzuordnenden Figuren und durch das Happy End. Der Kontrast zwischen Sicherheit und Neugier verbürgt gleichzeitige Gefühle von Ruhe und Lebendigkeit.

... brauchen Anteilnahme und Distanz

Der Wunsch, dass Ordnung aus der ungeordneten Situation des Dramas wiederhergestellt wird, kann nur dann geweckt werden, wenn die Zuschauerinnen in ihrem Inneren Anteil an der Handlung nehmen. Dafür müssen sie sich wieder erkennen können und gleichzeitig etwas über das Bekannte Hinausweisende entdecken. Die Lust an der Erzählung braucht Anteilnahme und Distanz.
Ohne Wiedererkennung (wie es z. B. bei einem Dokumentarfilm der Fall sein kann) wird die Erzählung nicht so genossen, weil erst dadurch eine persönliche Anteilnahme geweckt wird. Auch reine Wiedererkennung hat für die Zuschauerinnen oft keinen Reiz, denn erst Wiedererkennung und Neugier zusammen bilden ein Spannungsfeld, das Gefühle von sozialer und psychischer Beweglichkeit vermittelt.

... erlauben ungebrochene Gefühle

Die Möglichkeit, Anteil am Leben der Figuren zu nehmen und damit Teil der Handlung zu werden, erlaubt ein intensives, situatives Miterleben von dramatischen Entwicklungen, Leid, Traurigkeit und Freude, ohne jedoch selber mit konkreten Konsequenzen konfrontiert zu sein. "Schön weinen" bezeichnet den Genuss an ungebrochenen Gefühlen, die nicht zu Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit führen. Sie sind real, werden aber in fiktiven Welten glücklich aufgelöst. Im Alltag, der oft wenig Möglichkeiten bietet, sich den eigenen Gefühlen hingeben zu können, erlaubt die Anteilnahme ohne Handlungszwang emotionale Intensität und Lebendigkeit.

... fordern weibliche Kompetenzen heraus

Das intensive Miterleben findet über die Anteilnahme an den Beziehungsstörungen in der Telenovela statt. Damit entspricht es der weiblichen Arbeit für Beziehungen. Frauen können dort ihre Kompetenzen spielerisch ausleben und sie als sichtbar und bedeutungsvoll erfahren. Sie beurteilen die Figuren, schimpfen mit ihnen und geben ihnen Ratschläge. Sie erleben soziale und emotional-regressive Bewegung, indem sie um die Aufhebung der Disharmonien in den Beziehungen bangen und erleben Entspannung in den harmonischen Szenen. Die Harmonie erfüllt Bindungswünsche durch die Teilnahme am Geborgenheitsgefühl der Heldin und Individuationswünsche durch das Miterleben an der Behauptung ihres Stolzes und ihrer Würde.

... erregen (Selbst-) Mitleid, Wut und Bewunderung

Bindungsgefühle werden bedroht und bewegt durch das Mitleid mit der leidenden Heldin. Das Mitleid kann auch zur Identifikation und damit zum Selbstmitleid werden und eigene emotionale Spannungen erlebbar machen, da eigenes Leid sichtbar und bedeutungsvoll wird. Individuationswünsche arbeiten sich am Hass auf die Böse ab. Durch den Hass können auch nicht akzeptierte Gefühle gelebt und Wut ausagiert werden. Gesellschaftlich nicht akzeptiertes Verhalten, wie die Ausübung von Macht durch eine Frau oder das Zulassen und hemmungslose Ausleben ihrer sexuellen Wünsche, kann verdammt oder heimlich genossen werden.

... machen weibliche Kompetenzen sichtbar

Frauen, die oft im privaten Raum von der Öffentlichkeit ausgeschlossen sind, können durch die Anteilnahme am Leben der fiktiven Figuren ihre Ausgrenzung aufheben. Ihre Arbeit an Beziehungen innerhalb und im Umkreis der Familie wird öffentlich sichtbar und die Zuschauerinnen können ihren Ort als soziales Wesen in der Gesellschaft definieren.
Weil weibliche Kommunikationsformen und Beziehungsarbeit im Alltag niedrig bewertet werden, wird der Genuss an der "Gefühlsduselei" von Frauengenres oft geringschätzig bewertet.

... enthalten Sex & Crime

Die "Vermännlichung" des Frauengenres Telenovela durch die Ergänzung des Beziehungsdramas mit Aktion, Gewalt und der Darstellung von Sexualität wird von den Zuschauerinnen zum Teil als positiv bewertet, weil die traditionellen Handlungsmuster der Telenovela durch neue ergänzt und als abwechslungsreich empfunden werden. Doch viele Frauen lehnen Darstellungen von Gewalt und Sexualität auch ab. Ihre Argumente sind moralischer Art. Es lässt sich jedoch annehmen, dass sie gewalttätige Handlungen von sich weisen, weil sie Beziehungen auf eine für viele Frauen bedrohliche Art zerstören, dass sie eigene Scham über ihre Sexualität verdecken und dass sie die sexistischen Elemente in der Telenovela ablehnen.

... liefern Stoff für Klatsch

Gespräche mit den Figuren und über sie machen private Beziehungen und die sich daraus ergebenden Gefühle erlebbar und öffentlich.
Klatsch mit anderen Menschen über Telenovela-Figuren ermöglicht Gemeinschaft, indem ein neutrales Thema Gesprächsstoff bietet. Wissensvorsprünge ermöglichen Genuss an der Enthüllung des Wissens. Die Lust am Erzählen bekommt durch Telenovela-Geschichten Inhalte und die Klatschenden können ihren Genuss an der Telenovela teilen und damit erhöhen. Das Reden über den Telenovela-Kontext erlaubt, Expertinnenwissen zu zeigen und es kann den Serienkonsum legitimieren. Themen aus dem eigenen Leben können unauffällig in die Gespräche eingebracht werden und über Ungeklärtes rätseln die Zuschauerinnen miteinander. Die gemeinsame Ereiferung über Außergewöhnliches kann die Lust am Besonderen verstärken. Durch seine Ausgrenzung wird die Bindung nach innen verstärkt.