Kleine Geschichte der Telenovela in Mexiko
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Die ersten Gehversuche im Fernsehen |
Die Inhaber einiger wichtiger
Radiosender gründeten 1950/51 die ersten drei Fernsehstationen und
fusionierten 1955 zu Telesistema Mexicano, dem Vorläufer Televisas.
Schon 1952 wurden die erfolgreichen Radionovelas auf den Bildschirm
gebracht. Die Erzählungen wurden von Anfang an durch Werbeblöcke
unterbrochen, täglich ausgestrahlt und mit dem Cliffhanger versehen.
Die ersten Serienproduzenten waren sowohl in den USA als auch in
Lateinamerika Waschmittelfirmen, wie z.B. Colgate Palmolive und
Procter and Gamble. Sie schufen zentrale Soap-Opera- bzw.
Radionovela-Abteilungen in New York und Havanna und verbreiteten die
Geschichten auf dem ganzen Kontinent. Sie engagierten und
qualifizierten das kreative Personal und bezahlten die Radio- und
Fernsehanstalten für die zur Verfügung gestellte Sendezeit sowie für
technische Ausstattung und technisches Personal. Die zunächst in Kuba
und dann auch in Mexiko geschriebenen Drehbücher wurden in den anderen
Ländern Lateinamerikas sowohl als Radionovela als auch später als
Telenovela umgesetzt. Für die lateinamerikanischen Geschichten wurde
das US-Format mit in Iberoamerika populären Erzählungen vermischt.
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Die Telenovela emanzipiert sich von
der Soap Opera |
Sehr wichtig für die Telenovela ist
der Einfluss der europäischen Fortsetzungsgeschichten (Feuilletons),
die hier im 19. Jahrhundert in den Zeitungen gebracht wurden. Sie
waren in Lateinamerika seit Beginn des 20. Jahrhunderts sehr populär
und mischten sich mit anderen traditionellen Erzählformen. Viele von
diesen Geschichten wurden als Vorlage für die ersten Radio- und Telenovelas übernommen. Dabei waren Werke von Balzac, Stendhal, Shaw,
Shakespeare, Dostojewski und anderen. Auch bekannte Werke wie „Der
Graf von Monte Christo“ und „Rebecca“ wurden adaptiert.
Vermutlich ist der größte und wichtigste Unterschied der Telenovela
zur Soap Opera auf die Adaption dieser Geschichten zurückzuführen: die
Erzählungen bekamen ein Happy End und wurden nicht endlos weiter
erzählt. |
Das Format entwickelt sich |
Die Fernseh-Geschichten wurden in den
ersten Jahren einmal pro Woche mit fünfzehn-, dreißig- oder
sechzigminütiger Dauer und mit Fortsetzungen gezeigt. Die Themen und
Handlungen der Radionovela wurden vor der Kamera in Szene gesetzt. Da
es noch kein Videotape gab, wurden die Novelas wie ein Theaterstück
aufgeführt und "Teleteatro" genannt.
In Anlehnung an die Technik des Theaters wurde mit
Souffleusen gearbeitet. Dieses Prinzip
hat man in Mexiko bis heute beibehalten. Teleteatros wurden in den
fünfziger Jahren bis zu viermal pro Woche gesendet, hatten dann aber
nur wenige Folgen. Erst die Einführung des Videotapes 1958 ermöglichte
die tägliche, serielle Ausstrahlung von Erzählungen im größeren Stil.
Von da an wurden die Geschichten "Telenovelas" genannt. Aus den
Teleteatros entwickelte sich ein eigenes Serienformat. Wenige Zeit
später - Anfang der sechziger Jahre - beendete das mexikanische
Fernseh-Unternehmen seine Praxis, Sendezeit an US-amerikanische Firmen
zu verkaufen und übernahm die Produktion selbst. Von da an schnellte
die Anzahl der gesendeten Telenovelas sprunghaft in die Höhe. Die
Ausstrahlung wurde auf Kanal 2 konzentriert - den "Kanal für die ganze
Familie“, der als „Sternenkanal“ Werbung macht. |
Die Phase der Professionalisierung |
Telenovelas wurden zum beliebtesten
Fernsehprogramm und wurden fast ausschließlich auf Kanal 2 gezeigt,
dem sie maßgeblich dazu verhalfen, zum meist gesehenen Fernsehkanal
Mexikos zu werden. Zeitgleich mit der Übernahme von
Telenovela-Produktion und Ausstrahlung gründete Telesistema eine
Exportfirma (1961), um die Serien auch außerhalb des Landes vermarkten
zu können.
Telesistema professionalisierte nun die Herstellung der Telenovelas.
Das Unternehmen schaffte einen festen personellen Stamm und stellte
1962 die bis in die neunziger Jahre tätigen Produzenten Ernesto Alonso
und Valentin Pimstein ein, die dem Produktionsverfahren ihren Stempel
aufdrückten. Erfahrene Regisseure lehnten die Inszenierung stärker an
die Filmästhetik an. Als Vorbild diente das "Cine de oro", das
mexikanische Kino der erfolgreichen Filmära der dreißiger, vierziger
und fünfziger Jahre. Melodramatische Aufladungen wurden durch
Naheinstellungen und Close Ups der Gesichter herbeigeführt, die
schließlich als Charakteristikum für (mexikanische) Telenovelas galten |
Internationale Konkurrenz: die
Telenovela wird modernisiert ... |
Telesistema Mexicano blieb bis in die
neunziger Jahre auf dem Gebiet der Telenovela-Produktion in Mexiko
nahezu konkurrenzlos. Das Unternehmen hatte im Aufbau seiner
Fernsehstruktur einen jahrelangen Vorsprung vor staatlicher und
kommerzieller Konkurrenz. Mit dem stärksten kommerziellen Gegenspieler
- Televisión Independiente de México (TIM) - fusionierte es 1973, und
diese beiden gründeten das Konsortium Televisa mit den nationalen
Kanälen 2, 4, 5 und 8 (später 9, seit 2001 Galavisión).
Erst seit 1993 hat Televisa auf dem heimischen Markt ernsthafte
Konkurrenz: das kommerzielle Fernsehunternehmen
TV Azteca, das die beiden staatlichen Kanäle 7 und 13 kaufte.
(Seitdem gibt es bis auf regionale Sender kein staatliches Fernsehen
mehr.)
Bis in die achtziger Jahre konnte Televisa seine Produkte mühelos in
alle Länder des Kontinents verkaufen. Doch dann wurde die Konkurrenz
aus anderen Ländern größer. Deshalb modernisierte Televisa die
Fernseherzählungen Ende der achtziger Jahre filmtechnisch und
differenzierte und spezialisierte die einzelnen Produktionsschritte.
Die Geschichten kommen seitdem schwungvoll und dynamisch daher, mit
vielen Gesangs- und Tanzeinlagen. Auch sprachlich wurden sie
modernisiert und an die moderne Lebenswirklichkeit der mexikanischen
Bevölkerung angepasst. |
... aber nicht inhaltlich |
Die Geschichten haben sich allerdings
wenig verändert. Versuche mit neuen Inhalten scheiterten nicht selten.
Seit den neunziger Jahren produziert Televisa daher viele alte,
erfolgreiche Geschichten aus der eigenen Produktion oder von
Produzenten anderer Länder neu. |
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